Page 15 - Leseprobe - Vom Brot im Meer
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ßes Bild einer schönen österreichischen Landschaft. Die-
            ses Bild fehlte jetzt. Anstatt des Bildes sah ich ein großes
            Loch, welches ziemlich tief war. Man konnte die Ziegel,
            mit denen diese Mauer gebaut war, sehen. Diese Mauer-
            nische, bestehend aus rohen Ziegeln, enthielt weder einen
            „Safe“, noch einen anderen Behälter. In der Nähe stand
            ein kleiner Tisch, mit einer Schüssel voller farbiger, zer-
            rissener Geldscheine. Ich hatte noch nie zerrissenes Geld
            gesehen. Ich war völlig überrascht und konnte mir nicht
            vorstellen, was das zu bedeuten hatte.
              Nur langsam konnten sie sich überwinden mir zu er-
            zählen, was vorgefallen war. Alle drei Damen lebten sehr
            sparsam und hatten jeden Monat ihre Ersparnisse jahre-
            lang in diese Öffnung gelegt. Niemals hatten sie nach-
            gesehen wie viele Banknoten dort lagen, oder etwas Geld
            herausgenommen.
              Jetzt aber, wo sie wussten, dass sie bald verschickt
            werden und das Geld brauchten, sahen sie, dass der
            Mauermörtel  eine  Substanz  enthielt,  welche  die  Geld-
            scheine zersetzt hatte. Sie wussten jetzt nicht mehr was
            sie tun sollten. Sie brauchten für diese „Reise“ sicherlich
            Geld und hatten außer diesen Ersparnissen überhaupt
            keine finanziellen Mittel.
              Ich wusste nicht, wohin mit mir. Obwohl meine Fami-
            lie wohlhabend war, hatten Stella und ich immer wenig
            Taschengeld und waren ständig für unsere täglichen Aus-
            gaben auf unseren Vater angewiesen. Ich hatte gerade
            genug Geld für meine Reise nach Temesvar und musste
            doch wegfahren! Der gute Wille war da, aber ich konnte
            ihnen nicht helfen. Ich weinte sehr, als ich ihnen das sa-
            gen und mich verabschiedeten musste.
              Dieser Vorfall gab mir viel zu denken und Monate
            später hatte ich noch immer Albträume. Viele Nächte
            dachte ich an diese drei alten Damen und besonders an
            Rosie, die mit ihren Freundinnen ins Ungewisse ging, um
            ihnen beizustehen.
              Am Ende des Krieges hörte ich, dass die drei Freun-
            dinnen nach Auschwitz geschickt wurden, wo alle drei
            umkamen. Mehr konnte ich nicht erfahren.


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