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Überfahrene Lebenswelt

           also nach Italien führt – schildert Wilhelm Berger sehr anschaulich:
              »Wer auf der Autobahn durch das Val canale (Kanaltal; Anm.), und,
           ab Pontebba, durch den Canale del ferro (Eisenkanal oder auch Eisen-
           tal; Anm.) fährt, wird die Erfahrung des Vorübergehenden, des Flüchtigen
           machen. Diese Täler durchquert man ja tatsächlich fast nur als Passagier,
           der sich, anders als ein Reisender, durch ein Ziel definiert, das anderswo
           liegt … Mag der „schräge Durchgang“ denen, die ihn heute zur schnellen
           Passage benützen, als eigenschaftslos erscheinen, so hat er dennoch ein
           faszinierendes Selbst. Es ist, als ob er seine verwickelte Geschichte gerade in
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           ihrem Verschwinden bewahrt.«
              Was ist nun unter „Kanaltal“ zu verstehen? Bei Wikipedia heißt es
           dazu: »Der Name Kanaltal hat seine Wurzeln im friulanischen Wort Chia-
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           nâl oder Cjanâl, welches für schlauchartige Täler (Berggräben) steht.«
           Veiter führt genauer aus: »Heute wird dieses ganze Gebiet (das gleich an-
           schließend beschrieben wird; Anm.) Kanaltal genannt, obwohl der Name
           ursprünglich nur dem Kanalgraben, einem Seitentälchen zur Gailitz, nörd-
           lich  von Tarvis, zukam.«  Und weiter unten gibt Veiter eine kurze, aber
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           bezeichnende Charakterisierung: »Das Kanaltal ist nur nach Kärnten of-
           fen, nach Süden (Italien) aber durch schroffste Dolomitberge abgegrenzt.« 7

              Unter  dem Namen Kanaltal wird heute  also  das Gebiet Tarvis
           – Weißenfels bis zur slowenischen Grenze – nach Raibl, zum Predil-
           Pass – dem Neveasattel – dann westlich nach Pontafel/Pontebba – zur
             Fellaschlucht und von dort über die Karnischen Alpen bis zum Kamm
           der Karawanken und wieder östlich bis zum Durchbruch der Gailitz be-
           zeichnet.
              In diesem Gebiet befindet sich damit – etwa in der Mitte des Kanal-
           tales in Saifnitz/Camporosso, auf direkter Nord-Südachse von Campo-
           rosso zum Monte Santo di Lussari, dem Luschariberg – eine der großen
           Wasserscheiden Europas. In dem Ortsteil Camporosso-Villa (des sehr
           alten Ortsteilnamens) finden sich beide Quellen – östlich bzw. westlich
           der  Kirche  Santa  Dorothea.  Diese  Quellen  sammeln  die  Bäche  und
           Flüsschen und nehmen sie in die jeweilige Himmelsrichtung mit. Die
           östlich  der  Kirche  entspringende  Quelle  den  Rio  Lussari  und  den
             Bartolograben und dann die vom Neveasattel kommende Schlitza/Sliz-
           za, die Tarvis durchquert und nördlich von Arnoldstein als Gailitz in die


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