Die Kulturwissenschaftlerin, Mauthausen-Außenlager Guide, Coach und Kommunikationstrainerin Gerti Malle erzählt in diesem Buch nicht nur die oftmals erschütternden Lebensgeschichten von Kindern, Frauen und Männern, die Jehovas Zeugen waren und deshalb von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Als Bibelforscher bezeichnet und mit dem Lila Winkel gekennzeichnet kamen Frauen und Männer in Konzentrationslager oder Gefängnisse. Viele Männer wurden wegen Wehrkraftzersetzung hingerichtet, weil sie den Wehrdienst aus religiösen Gründen verweigerten. Allerdings gab es sogenannte Verpflichtungserklärungen, in der sich vor allem Männer von den Bibelforschern abwenden und sich zum Kriegsdienst bekennen konnten, was aber in den meisten Fällen nicht in Anspruch genommen wurde. Der starke Glaube und die humanistische Einstellung ließ selbst Kinder die Umerziehungsheime überstehen. Aber bei Erwachsenen zeigte sich anhand persönlicher Schicksale diese bemerkenswerte Zuversicht und Resilienz.
Gerti Malle lässt Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu Wort kommen und zeichnet damit ein historisches Bild anhand von Fotos, Berichten, Briefen und Gedichten, die jedes Schicksal nachdrücklich und lebendig veranschaulichen. Die Beiträge von Harald Walser, Esther Martinet, Nikodemus Löffelmann und Martin Achrainer bereichern mit zusätzlichen Aspekten das Buch.
Spannend ist auch die umfassende historische Einleitung der Autorin, die unter anderem Einblicke in die Geschichte von Jehovas Zeugen gewährt. Zudem gibt es ein ausführliches Kapitel über den Umgang mit traumatischen Erlebnissen, über Resilienz und Haltung, mit Zitaten und Texten von überlebenden Konzentrationslagerhäftlingen wie Viktor E. Frankl und Bruno Bettelheim. Gerti Malle beschließt die Publikation mit einem zeitgenössischen Panorama und der gegenwärtigen Situation von Jehovas Zeugen in Österreich. Eine wertvolle Arbeit und Würdigung von Verfolgten und Opfern, ein wichtiger Beitrag gegen das Vergessen, aber eben auch eine Anregung, sich für Menschlichkeit und Haltung einzusetzen, gerade in diesen Zeiten der weltweiten Umbrüche und Bedrohungen.
Rudolf Kraus